Suillellus luridus var. erythrentheron

#1
Hallo liebe Pilzfreunde,

mir ist da heute ein Röhrling zur Begutachtung zugetragen worden, den ich gerne als Rotviolettverfärbende Varietät des Netzstieligen Hexenröhrlings sehen möchte. Leider ist diese Varietät sehr rar, und da ich bei Röhrlingen nicht so sicher unterwegs bin, wäre es schön, wenn sich einer von Euch melden würde, der diese Varietät eventuell schon einmal gefunden hat. Typisch ist ja bei den Hexenröhrlingen, daß sie im Schnitt eine mehr oder weniger sofortige Blau(violett)verfärbung zeigen, die dann verblasst. Beim Netzstieligen Hexenröhrling ist der Röhrenboden normalerweise orange, hier gelb. Das Fleisch gelblich und in der Stielbasis rot. Weil sich das Fleisch im Anschnitt gar nicht verfärbt hat, habe ich zuhause auf die gelben Partien einen Schuss Melzer gegeben, woraufhin sich das Fleisch an dieser Stelle sofort dunkel blaugrün verfärbt hat. Eine leichte bläuliche Verfärbung gab es nur im Hutfleisch sofort, im Stielfleisch ist erst nach 7 Stunden stellenweise eine leicht blaugrüne Verfärbung in den gelben Partien eingetreten. Der Röhrling wurde bei Eiche gefunden.

In der Beratung kann ich natürlich keine Experimente machen oder mikroskopieren. Hexenröhrlinge werden wegen Unverträglichkeiten, speziell was S. luridus betrifft, nicht gerne fürs Essen empfohlen. Wenn ein Netzstieliger Hexenröhrling einen gelben Röhrenboden aufweist und das Fleisch im Schnitt gar nicht blaut, kommt er bei mir auch privat nicht in die Pfanne. Den Pilz kenne ich ja nicht und muss ihn erst untersuchen.
Nachträglich habe ich in meinen Pilzbüchern gestöbert und bei Rose Marie Dähncke (1200 Pilze) den Eintrag gefunden, daß B. Cetto Netzstielige Hexenröhrlinge mit gelbem Röhrenboden der var. caucasicus zugeschlagen hat.
Meine Frage ist, welcher Varietät des Netzstieligen Hexenröhrling man diesen Fund zuschlagen könnte.
Ich habe natürlich auch erwägt, ob ich mich in der Gattung vertan haben könnte, aber der Weg weiter zur Gattung Rubroboletus war, weil ich nach dem synoptischen Schlüssel von Laessoe/Petersen (Fungi of temperate Europe) bestimmt habe, nicht möglich. Ich habe mir von diesem Buch vielleicht auch zuviel erwartet.
Weil sich noch niemand aus dem Forum bisher gemeldet hat, kann ich ungeniert einen großen Schwenk machen. Ich habe im pilzforum.eu ein bischen gestöbert und bin auf den Schlüssel von "Beorn" gestoßen. Der führt mich, wenn ich die feurige Reaktion des Stielfleisches nicht überbewerte, direkt zu Rubroboletus rhodoxanthus. Gefällt mir makroskopisch jetzt super. Das Hutfleisch im Schnitt himmelblau und das Stielfleisch gelb. In der Stielbasis hat dieser Rubro halt ein großes Feuer entfacht und der Hut ist nicht rosa, sondern bräunlich, weil alt.
Ich bin mir jetzt schon sehr sicher, werde aber noch die Stielhyphen auf Amyloidität prüfen. Der Fundort ist Klagenfurt, nähe Kreuzbergl, eine wärmebegünstigte Gegend. In meinem Floristikgebiet - Sattnitz/Gemeinde Schiefling am Wörthersee - habe ich diese Art noch nie gesehen.

LG
Matthaeus
Dateianhänge
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Re: Suillellus luridus var. erythrentheron

#2
Lieber Matthaeus,

das ist mit Sicherheit Rubroboletus rhodoxanthus, die Verfärbung die nicht im gesamten Fruchtkörper stattfindet, ist ganz typisch und auch das prominente rote Netz. Schöner Fund!
Ich habe die Art voriges Jahr auch in Kärnten gefunden und zwar auf der Burgruine Federaun zusammen mit Suillellus mendax und Suillellus luridus.

Schöne Grüße aus dem Burgenland,

Gerhard

Re: Suillellus luridus var. erythrentheron

#3
Lieber Gerhard,

ich danke Dir sehr für die Bestätigung meiner vorläufigen Bestimmung! Ich habe den Pilz nur aus den Pilzbüchern gekannt.
Die Gratulation zum Fund werde ich an die Dame weiterleiten, die mir den Röhrling gebracht hat. Wenn sie denn noch einmal kommt.
Sie war enttäuscht, weil ich ihr den Fund nicht zum Essen freigegeben habe. Ich habe versucht, ihr zu vermitteln, daß sie eine eher seltene
Art in ihrem eigenen Garten bewundern kann. Den Artnamen konnte ich ihr ad hoc nicht sagen, ich hoffe aber, daß sie verstanden hat,
was ich ihr sagen wollte.
Das Foto in den Fungi of temperate Europe ist auch richtig, nur der synoptische Schlüssel ist m. E. falsch. Dieses Merkmal, daß das Stielfleisch
nicht immer vollständig gelb ist, wird in der Bestimmungsliteratur zuwenig hervorgehoben. Rubroboletus rhodoxantus ist ein schlafender
Vulkan.

LG
Matthaeus

Re: Suillellus luridus var. erythrentheron

#4
Ich möchte noch eine Information von Wolfgang Klofac weitergeben, nämlich, daß die meisten Röhrlinge bei längerem Liegen
im Schnitt eine Rotverfärbung zeigen, was ein Prozess der Alterung ist. Der Fruchtkörper, den ich hier zeige ist quasi eine
Leiche und es fehlen bereits wichtige Frischmerkmale. Das Feuer im Stiel ist daher kein Schlüsselmerkmal und muss ich in diesem Fall
bei der Bestimmung wegrechnen. Im Schnitt sind beim frischen Pilz Hutfleisch himmelblau und Stielfleisch gelb.
Der Hut ist hier altersbedingt braun, frisch aber weißlich-lehmfarben mit rosa Rand und so weiter geht die "Rekonstruktion".

Selbstverständlich kommt man nach dem "Schlüssel zur Bestimmung von Frischfunden europäischer Arten der Boletales" von Wolfgang Klofac und Irmgard Krisai-Greilhuber (ÖZP Nr. 27) auch zu Rubroboletus rhodoxanthus. Der synoptische Schlüssel in den "Fungi of temperate Europe" ist auch ok, da habe ich den
Autoren unrecht getan.

Pilzleichen kann man nicht mehr vernünftig bestimmen. Hier ist es dank der Unterstützung von Gerhard und Wolfgang trotzdem gelungen.
Das freut mich sehr und ich danke Euch beiden recht herzlich!

Schöne Grüße aus Roach in Kärnten,
Matthaeus