Liebe Irmgard, liebe Mitleser,
dieser Beitrag nimmt Bezug auf den Thread hier: https://www.funga-austria.at/viewtopic.php?f=10&t=414.
Da man bei der Gattung Pseudoclitocybe stundenlang in der Literatur wühlen könnte, ohne ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen, da scheinbar jeder Autor ein etwas anderes Konzept hat, dachte ich mir, dass ich hier ein paar meiner Überlegungen zur Kollektion aus dem Burgenland zusammenfasse... Grundsätzlich scheint es bei dieser Artengruppe (natürlich nicht nur hier) sehr sinnvoll zu sein, bei der Bestimmung immer auf eine Literaturquelle hinzuweisen bzw. eine sensu-Angabe zu machen. Für mich war es vor allem der relativ glatte Stiel (für eine Pseudoclitocybe), der mich bei der aktuellen Kollektionen dazu bewogen hat, sie als P. expallens sensu Ludwig (Pilzkompendium 1, 71.2.) anzusprechen, ebenso die Abwesenheit der im trockenen Zustand blaugrauen Farbtöne. Weitere Abbildungen, die m. E. gut zu meinem Fund passen, gibt es hier von J.-M. Moingeon: http://www.pharmanatur.com/Mycologie/Ps ... allens.htm.
Pseudoclitocybe obbata hatte ich hingegen mit gestreiftem Stiel (wie P. cyathiformis), mit etwas stärker ins Graue gehenden Farbtönen und vielleicht weniger deutlich gerieftem Hutrand im Kopf, so wie hier von P.-A. Moreau gezeigt: https://inpn.mnhn.fr/espece/cd_nom/32873?lg=en.
So scheint z. B. auch Rickens (Die Blätterpilze Deutschlands, 1123/1124) Konzept damit recht gut übereinzustimmen, er schreibt zum Hut bei P. expallens "trocken falbblaß" und bezeichnet die Stieloberfläche als "obsolet weiß-seidig", im Gegensatz dazu schreibt er zur Hutfarbe von P. obbata "trocken blaugrau" und zur Stieloberfläche "fast netzaderig, silberig-bereift oder glimmerig."
Denkst du, Irmgard, dass sich die Funde von P. expallens, die du in den Makromyceten aus dem Raum Wien beschreibst, mit "sehr dunkel grau(en)" Lamellen und "deutlich längsfaserig(em)" Stiel, auf dieselbe Art beziehen wie P. obbata sensu Moreau (nach dem oben verlinkten Foto) bzw. sensu Ricken?
Ich hab gesehen, dass ihr auch in der ÖZP 12 nochmals auf P. expallens eingeht. Leider habe ich keinen Zugriff auf die zitierte Abbildung in Konrad & Maublanc und auch den Cetto kann ich erst später wieder einsehen. Hättest du vielleicht ein paar Fotos eurer als P. obbata bzw. P. expallens bestimmten Kollektionen griffbereit?
Nun habe ich auch die Beschreibungen dieser beiden Arten in Fries (Epicrisis Systematis Mycologici) überprüft, anscheinend ist jene von Agaricus obbatus die Originalbeschreibung. Den Stiel von A. expallens beschreibt er apikal als "fibroso-sericeo", beim Stiel von A. obbatus betont er extra "glabro" bzw. "Stipes omnino glaber!". Allerdings irritiert bei A. obbatus ein bisschen die Lamellenfarbe "caesio-cinereis"...
Bei der Gelegenheit möchte ich noch eine zweite Pseudoclitocybe-Kollektion von heuer zeigen, die ich nun am ehesten für P. expallens sensu Hausknecht & Krisai-Greilhuber bzw. P. obbata sensu Moreau halten würde, aufgrund des zarteren Habitus (dünner Hut und langer Stiel) sowie der eher ins Graue gehenden Hut- und vor allem Lamellenfarben:
Der Standort war eine magere, nach Norden exponierte Wiese (Saftlingswiese). Was wäre deine Einschätzung zu dieser Kollektion?
Letztendlich habe ich noch im Artikel von Alvarado et al. (2018: Pseudoclitocybaceae fam. nov. ) nachgelesen. Darin ist wieder das oben bereits verlinkte Foto von P. obbata von Moreau abgebildet, sowie einige weitere Fotos von P. cyathiformis und P. obbata. Alle scheinen recht deutlich gestreifte Stiele zu haben. Folgendes schreiben die Autoren: "Knudsen and Vesterholt (2008) suggested that P. expallens could be an earlier synonym of both P. atra and P. obbata, but the lack of details in Fries original protologues of A. expallens and A. obbatus provides too weak support for a definitive decision. Basidiome size, colour and striated pileus seem not reliable features to discriminate between the observed genetic clades. The lineage identified here with P. obbata is found sometimes in treeless grasslands, but also in forests (especially in Mediterranean countries), maybe suggesting more xerophilic preferences." Morphologisch scheint also insgesamt wenig zu gehen, wobei die Autoren leider nicht auf die Stieloberfläche eingehen und anscheinend nur die ITS untersucht haben. Hast du selber schon Ergebnisse des Barcodings dieser Taxa?
Unten füge ich nochmals die Fotos aus dem Burgenland an, damit man direkt vergleichen kann. Der Standort war übrigens ein Trockenrasen mit dünner Vegetationsschicht über z. T. anstehendem Gestein, wo die Art sehr zahlreich, eigentlich massenhaft fruktifizierte und makroskopisch sehr konstant erschien.
Überhaupt sind mir heuer in mehreren trockenen Grasländern Kollektionen mit diesen ± glatten Stielen aufgefallen, dieser Pilz (wie auch immer er nun heißen mag) scheint also grundsätzlich an entsprechenden Standorten und spät im Jahr ziemlich häufig zu sein.
Zur Ergänzung hier noch ein Foto einer Kollektion, die mir relativ typisch für P. cyathiformis erschien: http://www.natur.vulkanland.at/arten/2217.
Schöne Grüße
Gernot
Re: Gedanken zu Pseudoclitocybe
#2Lieber Gernot,
sensu ist hier tatsächlich dringend notwendig. Schein ein ziemliches Durcheinander zu sein. Anbei mein Fund vor langer Zeit von P expallens aus der Lobau
Von Toni hab ich auch noch Bilder, aber die muss ich erst alle verkleinern.
LG
Irmgard
sensu ist hier tatsächlich dringend notwendig. Schein ein ziemliches Durcheinander zu sein. Anbei mein Fund vor langer Zeit von P expallens aus der Lobau
Von Toni hab ich auch noch Bilder, aber die muss ich erst alle verkleinern.
LG
Irmgard
Re: Gedanken zu Pseudoclitocybe
#3Lieber Gernot, liebe Irmgard,
ich kenne Pseudoclitocybe expallens (so, wie ich ihn interpretiere) von einem Kalktrockenrasen hier in Oberbayern. Es ist eine renaturierte Fläche, der Nährstoffe entzogen wurden (durch Abtragen der Humusschicht) und die seit über 10 Jahren nun gepflegt wird. Dort kann manim Spätherbst teils einen ganzen Massenaspekt erleben.
Ich kenne diese Art als sehr deutlich gerieft mit auffallend dunkler Hutmitte (sehr auffällig) und ebenfalls mit deutlich glatterem Stiel als normale Ps. cyathiformis.
Hier Fotos meiner Aufsammlungen:
(vom 8.11.2017)
Diese Kollektion habe ich in der Mycologia Bavarica 17 vorgestellt (als einseitiges Pilzportrait in der Reihe "Fungi selecti Bavariae", dager nur mit kurzer Diskussion).
Hier noch vergrößert der Stiel (Bildausschnitt von obigem Foto): Und der typische Blick von oben mit der sehr kleinen, fast schwarzen Hutmitte im Kontrast zu dem helleren Hut:
(Kollektion vom 22.11.2017)
Und hier beim Antrocknen - der Hut ist natürlich hygrophan, aber vorher schon recht blass bis auf die Mitte: (auch vom 22.11.2017)
Fundort:
Deutschland, Bayern, Oberbayern, Lkr. Fürstenfeldbruck, Rothschwaig (zu Fürstenfeldbruck), Naturschutzfläche Rothschwaig.
Jedenfalls halte ich das für Pseudoclitocybe expallens. Es ist da aber wirklich noch vieles sehr unklar. Ich zitiere hier meine kurze Diskussion:
"Pseudoclitocybe expallens unterscheidet sich von Ps. cyathiformis durch etwas kürzere Sporen mit kleineren Quotienten, starke hygrophanität, dünnfleischigen, deutlich gerieften Hut, die Farbgebung und das Habitat. Die Abgrenzung von Ps. obbata erfolgt primär durch deren feucht dunklere Farbgebung (bläulich schiefergrau) und deren geringer ausgeprägte bis fehlende Riefung und fast fehlende Hygrophanität. Ludwig (2001) diskutiert unterschiedliche Angaben diverser Autoren hinsichtlich der Sporenmaße innerhalb der Gattung Pseudoclitocybe, sodass dereb Wert zur Trennung von Taxa kritisch gesehen werden kann." - Hahn C. (2017): Fungi selecti Bavariae Nr. 34. Pseudoclitocybe expallens (Pers.: Fr.) M.M. Moser. Magerrasen-Gabeltrichterling, Ausblassender Gabeltrichterling. Mycologia Bavarica 17: 120.
Liebe Grüße,
Christoph
ich kenne Pseudoclitocybe expallens (so, wie ich ihn interpretiere) von einem Kalktrockenrasen hier in Oberbayern. Es ist eine renaturierte Fläche, der Nährstoffe entzogen wurden (durch Abtragen der Humusschicht) und die seit über 10 Jahren nun gepflegt wird. Dort kann manim Spätherbst teils einen ganzen Massenaspekt erleben.
Ich kenne diese Art als sehr deutlich gerieft mit auffallend dunkler Hutmitte (sehr auffällig) und ebenfalls mit deutlich glatterem Stiel als normale Ps. cyathiformis.
Hier Fotos meiner Aufsammlungen:
(vom 8.11.2017)
Diese Kollektion habe ich in der Mycologia Bavarica 17 vorgestellt (als einseitiges Pilzportrait in der Reihe "Fungi selecti Bavariae", dager nur mit kurzer Diskussion).
Hier noch vergrößert der Stiel (Bildausschnitt von obigem Foto): Und der typische Blick von oben mit der sehr kleinen, fast schwarzen Hutmitte im Kontrast zu dem helleren Hut:
(Kollektion vom 22.11.2017)
Und hier beim Antrocknen - der Hut ist natürlich hygrophan, aber vorher schon recht blass bis auf die Mitte: (auch vom 22.11.2017)
Fundort:
Deutschland, Bayern, Oberbayern, Lkr. Fürstenfeldbruck, Rothschwaig (zu Fürstenfeldbruck), Naturschutzfläche Rothschwaig.
Jedenfalls halte ich das für Pseudoclitocybe expallens. Es ist da aber wirklich noch vieles sehr unklar. Ich zitiere hier meine kurze Diskussion:
"Pseudoclitocybe expallens unterscheidet sich von Ps. cyathiformis durch etwas kürzere Sporen mit kleineren Quotienten, starke hygrophanität, dünnfleischigen, deutlich gerieften Hut, die Farbgebung und das Habitat. Die Abgrenzung von Ps. obbata erfolgt primär durch deren feucht dunklere Farbgebung (bläulich schiefergrau) und deren geringer ausgeprägte bis fehlende Riefung und fast fehlende Hygrophanität. Ludwig (2001) diskutiert unterschiedliche Angaben diverser Autoren hinsichtlich der Sporenmaße innerhalb der Gattung Pseudoclitocybe, sodass dereb Wert zur Trennung von Taxa kritisch gesehen werden kann." - Hahn C. (2017): Fungi selecti Bavariae Nr. 34. Pseudoclitocybe expallens (Pers.: Fr.) M.M. Moser. Magerrasen-Gabeltrichterling, Ausblassender Gabeltrichterling. Mycologia Bavarica 17: 120.
Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)
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