Leccinum piceinum?

#1
Liebe Pilzfreunde,
nun habe ich hier meine erste Bestimmungsanfrage in diesem Forum.
Funddaten: Österreich, Bundesland Salzburg, Pinzgau, Salzburger Schieferalpen, Maria Alm, Berg Natrun, ca. 1158 m, 10.09.2019
Als ich am 10.09.2019 unsere Pilzfunde putzte, ist mir eine Rotkappe besonders aufgefallen, weil sie in Hutfarbe und Konsistenz von den anderen, in meiner Wahl-Zweitheimat gefundenen Rotkappen abwich. Die Huthaut war samtig, die Hutfarbe war fast wie Rotwein, richtig intensiv dunkelrot. Gefunden hat sie mein Mann in einem Nadelwald, wo ausschließlich Fichten wachsen, Birken gibt es am Fundort keine einzige, auch keine zweinadeligen Kiefern. Aber Heidelbeeren. Der Fruchtkörper fruktifizierte in der Nähe eines Fichtenstammes und war unter dem untersten Ast der Fichte gut versteckt. Die Konsistenz war sehr fest, fast hart. Höhe des Fruchtkörpers ca. 10 cm. Leider war der Pilz an der Stielbasis schon gut vorgeputzt, aber den Fruchtkörper auf einen Zahnstocher gestellt habe ich ein Fundortfoto unter den Fichten hinterm Haus nachempfunden.

Hier im Sonnenlicht:
2019-09-10 #14332-w Leccinum piceinum.jpg

Die Huthaut hing weit um den Hutrand herum:
2019-09-10 #14337-w Leccinum piceinum.jpg

Blick auf die Stielschuppen, die zur Stielspitze hin deutlich "zarter" werden und unter der Stielspitze nur noch die Farbe des Stielfleisches haben:
2019-09-10 #14336-w Leccinum piceinum.jpg

Farbe des Schnittbildes sofort nach dem Schnitt: rosalich
2019-09-10 #14338-w Leccinum piceinum.jpg

Farbe des Schnittbildes zwei Minuten nach dem Schnitt: rosa in lila übergehend
2019-09-10 #14340-w Leccinum piceinum.jpg
Im Hinterkopf hatte ich, dass es eine an Fichten gebundene Nadelwald-Rotkappe gibt. Nun konnte ich in der "Enzyklopädie der Pilze" von Bruno Cetto Band I (1987) nachsehen:

Leccinum piceinum (Fichten-Rotkappe): Stielschuppen schwarz, Stielspitze weniger schuppig, unter Fichten
Leccinum vulpinum (Fuchs-Rotkappe) Stielschuppen rötlich bis dunkelbraun, alt schwärzlich, bei zweinadeligen Kiefern

Wenn ich die Fotos im Bon vergleiche, dann sind die Stielschuppen bei L. piceinum deutlich gröber als bei L. vulpinum, was auf ich bei meinem Fund auch so sehe. Nach den fehlenden Kiefern, Fund unter Fichte, den gröberen, fast schwarzen Stielschuppen würde ich den Fund als Leccinum piceinum ansprechen wollen. Was meint ihr? Bei Bestätigung würde ich den Fund gern im Pilzfinder eintragen.
Herzliche Grüße
Sabine

Re: Leccinum piceinum?

#2
Liebe Sabine,

ob man Leccinum piceinum von L. vulpinum sauber trennen kann, wird kontrovers diskutiert. "Meine" Fichtenrotkappe, die ich z.B. aus dem Bayerischen Wald kenne, ist deutlich braunhütiger (dunkles Rotbraun) und die Huthaut steht nicht so stark am Hutrand über. Das sagt aber nichts, da das ja nicht heißt, dass es auch so schön rote Exemplare geben kann (und dass die Huthaut nicht auch mal stark überstehen kann).

Zunächst scheint ein gutes Merkmal für L. vulpinum / piceinum zu sein, dass das Fleisch nicht so stark schwärzt wie z.B. bei der Eichen- oder Heiderotkappe. Leccinum vulpinum s.str. kenne ich mit einer im Alter rötlichen Stielgrundfarbe mit rotbraunen Stielschuppen (und deutlich rotem Hut wie bei deinem Fund), während Leccinum piceinum s.str. schwarze Schuppen und kein Rot am Stiel aufweist (und bei meinen Funden eben mehr rotbraune Hüte hatte). Nur die Kombination der Schwarzen Schuppen mit einem so roten Hut hatte ich noch nicht.

Der Baumpartner scheint m.E. nicht so wichtig zu sein. Ich hatte schon für mich typische L. vulpinum unter Fichte.

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Re: Leccinum piceinum?

#3
Hallo Sabine,
ich hänge mal ein paar Vergleichsbilder von Leccinum vulpinum (meist unter Fichte gewachsen) an, die von Wolfgang Klofac bestimmt wurden. Leccinum piceinum hatte ich bisher noch nicht.
Ich hoffe, ich kann etwas helfen...
LG
romana
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Re: Leccinum piceinum?

#4
Hallo Sabine,

nunmehr möchte ich in Bezug auf deinen Fund kurz auf die Problematik der Nadelwaldrotkappen eingehen:
Nadelwaldrotkappen werden in Europa oft auf nur eine Art reduziert. Unzweifelhaft gibt es aber voneinander divergierende Sippen, was auch molekulargenetisch bestätigt wird. Eine genaue Trennung fällt im Moment schwer. Jedenfalls kann man in Mitteleuropa abweichende Rassen unterscheiden, wobei die Typusart von Leccinum vulpinum im Sinne der Orginalbeschreibung hier offenbar nur selten anzutreffen ist. Leider hat der Autor sein Konzept offenbar verändert, was auch inr Darstellungen von stark verfärbenden Exemplaren dokumentiert wird. Leccinum vulpinum mit schwarzen Stielschuppen, violett-schwärzendem Fleisch und in einem Stadium mit grauen(dunklen) Poren hat auch sonst makroskopisch mit WATLINGS L.vulpinum Orginal- Art nichts zu tun und entspricht weitgehend Leccinum piceinum. Die praktizierte Methode, Aufsammlungen nach dem Mykorrhiza-Partner zu benennen (bei nur einer Baumart am Standort), ist nicht zielführend (und bei Nadelmischbeständen dann sowieso unbrauchbar), da offenbar alle Arten auch beim anderen Nadelbaum-Partner angetroffen werden können. Leider hilft momentan auch die Molekularbiologie nicht weiter , da die Sequenzierungsergebnisse (Europa und Nordamerika) auf meist fehlbestimmtem Material basieren.
Die Variabilität ist ja im übrigen in Romanas Bildern von einer gemeinsamen Exkusion gut ersichtlich.
Nur von der Hutfarbe her würde ich gez. Fund eher Leccinum vulpinum zuordnen.

Liebe Grüße
Wolfgang

Re: Leccinum piceinum?

#5
Liebe Romana, lieber Christoph und Wolfgang,
wie sehr freue ich mich über gleich drei Antworten, für die ich erstmal ganz herzlich danke.
Dass die Trennung der beiden Arten Leccinum vulpinum und L. piceinum schwierig ist, war mir im Grunde schon bewusst bzw. ich habe es geahnt/befürchtet.
Zwei Antworten tendieren aufgrund der abgebildeten Hutfarbe zu L. vulpinum.
Christophs L. piceinum hat eine weniger stark überstehende Huthaut.

Ich hätte es vermutlich noch viel deutlicher machen müssen: das Foto ist kein Standortfoto, sondern gestellt. Aufgenommen im nachmittäglcihen Sonnenlicht. Die richtige Hutfarbe kommt dabei leider nicht heraus. Sie war deutlich dunkler als auf den Fotos, war richtig dunkelrot, wie Rotwein. Am ehesten zutreffend wäre die Hutfarbe, wie sie bei 123pilzsuche.de abgebildet ist: https://www.123pilzsuche.de/daten/detai ... rotka3.jpg

Die Hutfarbe der von Romana gezeigten L. vulpinum ist deutlich heller und erinnert mich von der Farbe eher an die vielen Leccinum rufum (albostipitatum, aurantiacum, Espen-Rotkappe), die wir in Maria Alm als Espen-Begleiter finden. Die Farbe der Stielschuppen von Romanas Aufsammlung ist tatsächlich recht variabel und zeigt auch Exemplare mit nur schwarzen Stielschuppen.

Den Fund würde ich aufgrund der Unwägbarkeiten nicht kartieren, sondern ihn bei mir mit cf. als L. cf. vulpinum ablegen.

Schade, dass auch die Molekularbiologie nichts beitragen kann. Wie ist es denn mit den Sporen? Wir sind jedes Jahr auf dem Natrun in Maria Alm, und am Fundort wären sicher auch in den nächsten Jahren Exemplare zu finden.
Herzliche Grüße
Sabine
cron